Julias zweiter Blog – kurz vor der Heimreise

Seit dem letzten Blogeintrag ist unglaublich viel passiert und in ein paar Tagen muss ich mich leider auch schon wieder auf die Heimreise begeben …die Zeit vergeht einfach zu schnell und vier Wochen sind einfach zu kurz.
Je mehr Zeit man in diesem tollen Land verbringt, desto weiter taucht man in das Leben hier ein und wird Teil davon. Wenn ich in der Früh am Bahnhof auf den Zug warte, erkenne ich bereits ein paar Leute wieder und wenn ich am Abend zurück ins DCC 1 gehe, wo ich derzeit wohnen darf, habe ich bereits das Gefühl, ich gehe „nach Hause“. Außerdem fühlt man sich immer und überall gut aufgehoben und egal, wo man hinkommt, man wird herzlich empfangen. Die Zeit mit den Kindern bei den unterschiedlichsten Workshops und Projekten ist immer besonders schön und vergeht leider dementsprechend schnell. Außerdem genieße ich die Zeit mit den übrigen SONNE-Mitarbeitern … ich wurde so gut aufgenommen und es haben sich richtige Freundschaften entwickelt.
Jetzt will ich euch aber endlich etwas über das Patenkinderprojekt in Nga Pyaw Kyaun, das Ausbildungsprojekt und die Sportprojekte erzählen, wie ich es im letzten Blogeintrag versprochen habe.

PATENKINDER PROJEKT

JuliaPatenkinder

SONNE-Patenkinder

Vorigen Samstag haben wir Nga Pyaw Kyaun besucht, wo unserer Patenkinder und jene Kinder, die noch Pateneltern suchen, wohnen und zur Schule gehen. Da wir schon früh am Vormittag ankamen, befanden sich einige von ihnen noch mitten in den Schlussprüfungen, die in diesen Wochen stattfinden, bevor die Ferien losgehen.
Sichtlich erleichtert kamen sie etwas später aus den Klassenzimmern heraus und begrüßten uns freundlich und erwartungsvoll. Wir versuchten ein paar Videos für die österreichischen Pateneltern zu drehen, was sehr unterhaltsam war. Sie hatten großen Spaß dabei, die Namen der Paten zu lernen ….Su Su und Cho-Thandar übten mit ihnen und ich filmte sie dann ….hin und wieder musste ich dann natürlich ein bisschen einsagen, weil so schwierig es für mich ist, mir ihre Namen zu merken und auszusprechen, so schwierig ist es wahrscheinlich auch für sie, unsere Namen auszusprechen . Jedenfalls haben wir dann gute Filme und Fotos zusammen gebracht und viel gemeinsam gelacht.
Im Anschluss daran durften wir ein paar Familien besuchen und uns die Situation der Kinder, ihrer Eltern, Geschwister und Verwandten anschauen. Interessant und teilweise traurig zu sehen war für mich, dass ein paar Kinder bei den Großeltern oder Tanten und Onkeln leben, da die Eltern auswärts arbeiten oder die Mütter eine neue Familie mit einem anderen Mann gegründet haben. Auch wenn Hütten, sehr ordentlich und gepflegt sind, merkt man natürlich, dass gerade genug da ist (wenn überhaupt), um zu überleben. Umso schöner ist es dann, wenn man weiß, dass die Kinder und Familien Unterstützung erhalten und durch Bildung die Chance bekommen, diesem Elend zu entrinnen.

 

SPORTPROJEKT

Unser SONNE-Fußballteam

Unser SONNE-Fußballteam

In unser Sportprojekt werden alle Kinder aufgenommen, die von uns betreut werden, sei es in den Day Care Centers, in der Boys Training School oder im Nonnenkloster etc. Ich hatte das Glück, dass ich die SONNE-Mitarbeiter zu zwei Orten begleiten durfte, wo (ehemaligen) Straßenkindern durch Sport Teamgeist, Durchhaltevermögen und Fairplay vermittelt wird. Durch den enormen Spaß, den die Kinder am Sport haben, ist es kein Problem für die Trainer, diese Eigenschaften zu fördern und gleichzeitig Konfliktprävention zu betreiben. Auf spielerische Art und Weiße wird die psychosoziale Gesundheit der Kinder gestärkt – das sieht man auch, wenn man die Burschen und Mädels ein bisschen beobachtet.
Als wir in Nga Pyaw Kyaun sowie in der Boys Training School neue Sportbekleidung austeilten, war die Freude sichtlich groß. Die Burschen in der Boys Training School werden in Fußball und im Cane Ball (eine sehr beliebte burmesische Sportart, die überall und zu jeder Zeit gespielt wird) trainiert.

AUSBILDUNGSPROJEKT
Letzten Dienstag hatte ich gemeinsam mit Sabine die Möglichkeit, unsere Ausbildungsprojekte zu besuchen. Einerseits verteilten wir die Zertifikate für die abgeschlossene Schneiderinnen-Ausbildung und andererseits erhielt ich Einblick in die Rattanflechterei-Kurse.
Die Schneiderinnen waren sichtlich stolz und präsentierten uns ihre Unterlagen, Hefte, Zeichnungen usw. Ihr Ziel ist es, zu Hause weiter zu üben, um noch besser zu werden und in Zukunft als Schneiderinnen tätig zu sein.

Unsere Rattanflechterei

 

ABSCHLUSSRESÜMEE
Abschließend möchte ich noch kurz Resümee ziehen und auf die vergangene Zeit in Myanmar zurückblicken.
In Wien im Büro hört man immer von allen Projekten, organisiert beispielsweise die Weihnachtsaktion, postet Beiträge auf Facebook von aktuellen Ereignissen in den Projektenländern, etc. …wie es vor Ort aber wirklich aussieht und wie alles, was man von jährlichen Projektberichten und Fotos kennt, in Wirklichkeit umgesetzt wird, weiß man nicht.
Ich hatte in diesem Monat die einmalige Möglichkeit, Einblick in alle Projekte zu erhalten, mir diese vor Ort anzusehen und ein bisschen Teil davon zu sein. Ich konnte die Kinder, die Sozialarbeiter, die Mitarbeiter im Büro, die Eltern usw. beobachten, Fragen stellen und mir ein gutes Bild von der Arbeit von SONNE-International machen. Ich hatte das Gefühl, dass die Projekte sehr gut ankommen und aufgenommen werden. Grund dafür ist meines Erachtens, dass den Menschen nicht einfach ein Konzept vorgesetzt wird, das in irgendeinem Büro ausgearbeitet wurde. Unsere Projekte setzten an der Wurzel des Problems an und sind an die Realität angepasst und darauf abgestimmt.
Bei den Ausbildungsprojekten wird beispielsweise versucht, den Kindern und jungen Erwachsenen eine Perspektive zu geben, indem sie Fähigkeiten vermittelt bekommen, mit denen sie in Zukunft ihren Unterhalt verdienen können. Dadurch haben sie hoffentlich in weiterer Folge genug Geld, dass ihre eigenen Kinder nicht mit Müllsammeln oder Betteln zum Familieneinkommen beitragen müssen, sondern stattdessen zur Schule gehen können.
Auch bei den Patenkinderkinderprojekten kann man eindeutig erkennen, dass sie langfristig etwas bewirken und die Kinder von Taglöhnern und sehr armen Subsistenzbauern durch die Möglichkeit, die Schule besuchen zu können und eine fundierte Ausbildung zu erhalten, einen positiveren Blickwinkel auf ihre Zukunft erhalten und sich eine gesicherte Existenz aufbauen können.
Zusätzlich zur Bildung oder beispielsweise den Gesundheitschecks, die regelmäßig und kostenlos durchgeführt werden und meines Erachtens enorm wichtig für die Menschen hier sind, möchte ich auch den zwischenmenschlichen Aspekt erwähnen: Ich konnte beobachten, wie liebevoll die LehrerInnen mit den Kindern umgehen und ihnen das Gefühl geben, in den DCCs ein Zuhause gefunden zu haben. Die Kinder haben einen harten Alltag und bekommen nicht so viel Zuneigung von ihren Eltern (falls sie überhaupt welche haben), wie es die Kinder bei uns gewöhnt sind. Die Mädchen und Burschen stellen für die Eltern oft nur ein weiteres „hungriges Maul“ dar, das es zu stopfen gilt, obwohl die finanziellen Ressourcen meist nicht einmal für sie selbst reichen. Deshalb empfinde ich die DCCs als so wichtig.

Julia im DCC

Julia im DCC

Ich hatte das Gefühl, dass sich die Kinder unheimlich wohl fühlen und sehr gerne kommen. Die Kinder bekommen ein bisschen Regelmäßigkeit in ihrem Leben und können sich auf den nächsten Tag freuen, weil sie mit Sicherheit etwas zu essen kriegen, mit ihren Freunden spielen können, auch mal ein bisschen zur Ruhe kommen (jeden Tag nach dem Essen gibt es eine „Schlafzeit“) und zusätzlich zu alledem auch noch Lesen, Schreiben, Rechnen, Englisch, usw. lernen (sie haben nämlich echt Spaß am Lernen).
Trotzdem gibt es noch eine Menge für uns zu tun, einerseits bezüglich der bereits laufenden Projekte und andererseits fallen immer wieder neue Problematiken und Themen an, um die man sich kümmern sollte und bei denen man helfen möchte. Unsere DCCs befinden sich momentan an drei verschiedenen Standorten, jedoch gibt es in der Stadt Yangon und auch in anderen Städten und Ortschaften noch viele weitere Gegenden, wo Kinder unter solchen Umständen leben müssen und wo sie sich freuen würden, wenn sie auch so ein DCC mit Unterricht, regelmäßigem Essen, Gesundheitschecks und netten LehrerInnen hätten.
Außerdem müssen noch immer eine Reihe von Eltern davon überzeugt werden, dass Schule für die Zukunft ihrer Kinder ausgesprochen wichtig ist (obwohl man die Problematik und den Teufelskreis, in dem sich die Eltern befinden, natürlich versteht). Vielleicht muss man sich auch Anreize für die Eltern überlegen, damit sie eher bereit dazu sind, ihre Kinder in die Schule zu schicken …….
Ich bin auch der Meinung, dass es von enormer Wichtigkeit wäre, etwas gegen die Gewalt, die die Kinder ertragen müssen, zu unternehmen. Wie ich im letzten Blogeintrag angesprochen habe, werden die Mädchen und Burschen häufig geschlagen. Vielleicht könnte man hier langfristig durch gezielte Workshops mit den Eltern oder Ähnliches etwas erreichen.
Auf jeden Fall bin ich überzeugt davon, dass wir auf dem richtigen Weg sind, bereits viel geschafft haben und dies auch in Zukunft tun werden, wenn wir so weitermachen und unsere Ehrlichkeit und unser Engagement beibehalten.
Also das war‘s von mir aus Myanmar 😉 ….ich hoffe, ich konnte euch einen einigermaßen guten Einblick geben!
Alles Liebe
Eure Julia