Ausrangierte Panzer, Kamelmilch und dazwischen eine Kamera

Bure – nördlichster Punkt der Afar-Region; Die Stadt Eli Daar haben wir bereits hinter uns gelassen. Vor uns die eritreische Grenze. Dazwischen Niemandsland. Wie Maulwurfshügel erheben sich in der Ferne die Afar-Hütten aus dem staubigen Boden. Hundert Meter hohe Staubwirbel bewegen sich langsam über die Tiefebene, dahinter die heiß umkämpfte eritreische Grenze. Noch vor 15 Jahren haben hier schwere Gefechte stattgefunden. Schützengräben durchziehen die Berge von Bure. Neben der Straße befinden sich, vom Krieg zurückgelassen, ausrangierte Panzer. Steinerne Beobachtungsposten alle 5 Kilometer – Soldaten tauchen immer wieder aus dem Nichts auf. Das muss wohl der entlegenste Außenposten des äthiopischen Militärs sein!

 

Wer Bure besucht, der tut dies nicht zu seinem Vergnügen. Jeder, der hierherkommt, hat eine Aufgabe zu erledigen. UN-Vertreter kontrollieren die Verteilung von Hilfsgütern, Entwicklungshelfer versuchen langfristig zu helfen, Kameraleute wollen eine Doku drehen – genau das haben auch wir hier in den nächsten 10 Tagen vor: einen Film zu machen über die Projekte von SONNE-International – in der unwirtlichsten Region der Erde.

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SONNE organisiert – MEDIACOM finanziert: 12 mobile Nomadenschulen und 2 Schülerheime für Hauptschüler. Weitere Finanziers: Das Außenministerium und die Else Kröner Fresenius Stiftung. Alle wollen das Gleiche: etwas bewegen – den Menschen einen Zugang zu medizinischer Versorgung ermöglichen.

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Nach einer eineinhalbtägigen Fahrt von Logya – wo unsere Partnerorganisation ihren Sitz hat – Richtung Norden erreichen wir mit unserem Jeep das Ende der Straße. Das ist Bure, die letzte äthiopische Ortschaft. Hier geht es nicht mehr weiter. Unser heutiges Vorhaben: Wir wollen die mit einem Truck herangekarrten Säcke voller Tiernahrung verteilen. Genau das wollen wir filmen. Es sollen 400 Säcke zu je 50 kg an verschiedene Familien verteilt werden. Pro Ziege erhalten die Familien eine Tagesrationen von 200 g auf die Dauer von einem Monat und das für bis zu max. 9 Ziegen pro Haushalt. Diese Menge sollte ausreichen, damit sich die Tiere wieder erholen und gute Milch für die Afar-Kinder abgeben. Von der wilden Straße, die durch endlose Lava- und Sandfelder führt und nur sehr dürftig befestigt ist, sind wir durchgerüttelt und der Staub hat unsere Haare grau gefärbt. Auch die Hitze trägt das Ihre dazu bei, dass uns eine gewisse Trägheit überwältigt. Es hat 38 Grad im Schatten, wir aber haben keine Zeit zum Rasten. Es müssen dringend einige Szenen gedreht werden.

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Die Vorstellung, in dieser Region für immer zu stranden, hier leben zu müssen, ist für uns Europäer nicht nachvollziehbar – nicht erahnbar. Die Landschaft erinnert mich an den Mond. Ich glaube, ich würde hier keine 3 Tage alleine überleben können. Es ist der unwirtlichste Ort auf Erden mit Temperaturen über 50 Grad im Sommer. Für uns ist es die Hölle, wenn man hier leben muss, für die Afar ist es die Heimat – der Ort, an dem sie leben wollen, obwohl nicht genügend Trinkwasser vorhanden ist – keine Sicherheit!

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Ohne dass wöchentlich Wasser hergekarrt wird, kann hier keiner überleben. Ähnlich schaut es mit der Hilfsnahrung aus, die hierher gebracht werden muss und mit Tiernahrung, die die Regierung, aber auch unsere Partnerorganisation APDA zur Verfügung stellen. Die Afar ernähren sich von Milch und Brot. Ich esse beides, liebe aber vor allem die frische warme Kamelmilch, die direkt von der Stute abgezapft wird -während das Kameljunge schreit, weil es von den Zitzen abgehalten wird. In den letzten Monaten haben tausende Familien ihre Tiere verloren. Nun haben Babys, aber auch Erwachsene nichts mehr zu essen. Das macht mich traurig und wütend zugleich – denn ich bin leider machtlos und kann nur sehr begrenzt helfen.

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Was müssen die Menschen denken, wenn wir voll ausgestattet mit Elektronik, Kameras, Laptop und Müsliriegel hier auftauchen? Klar, alle wissen, dass wir ihre Projekte finanziell unterstützen, wir die großen Geldgeber aus Europa sind. Aber was hilft es ihnen jetzt – unmittelbar in dieser Tragödie? Auch heute zeigen sie uns ihre freundliche Gesinnung, denn sie haben eine Ziege für uns geschächtet, die wir in Kürze verspeisen werden. Aber grotesk ist die Situation allemal.

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APDA, unsere Partnerorganisation, bewegt hier Unglaubliches. Sie macht in dieser Einöde ein zumindest teilweises Überleben durch Wasserbecken- und Zisternenbau, durch Hilfslieferungen und durch Community Development erst möglich. Bure ist so weit entfernt von jeglicher Zivilisation, dass wir es uns gar nicht vorstellen können.

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Wir haben damit gerechnet, dass eine Kamelherde das hertransportierte Tierfutter zu den von der Dürre betroffenen Haushalten bringt, aber statt der Kamelherde wurde nur eine Gruppe von Eseln organisiert. Marion dreht – so gut es geht –ihren 27 min. Film, der auf ORF III am 17. Dezember um 21:50 Uhr in der Serie: „Im Brennpunkt“ ausgestrahlt wird.

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