Sophia in Indien

Sophia Simon engagiert sich als Volontärin in der SONNE-Schule Bodghaya

Eintrag April 2019

Wir setzen uns für sauberes Wasser ein – mit WADI!

Namaste- und herzliche Grüße aus Indien!

Heute möchte ich euch von unserem WADI- Projekt berichten. WADI steht für Water Disinfection. Also wie der Name schon sagt, geht es um die Aufbereitung von sauberem Trinkwasser.

Schlechter Hygienestandard, niederes Bildungsniveau und verunreinigtes Wasser sind der Nährboden für das Vorkommen und Entstehen von abdominellen Erkrankungen wie Wurmbefall, Infektionen oder diverser Durchfallerkrankungen.

Ich bin immer ein Fan davon Probleme nicht nur symptomatisch, sondern bei ihrer Wurzel zu bekämpfen.

Bezüglich des Hygienestandards gibt es ein Projekt von Seiten der Regierung, welche für das Vorhandensein von Toiletten sorgt. Dies kann laut der Bevölkerung hier noch ca. fünf Jahre dauern, bis jeder Haushalt über sanitäre Anlagen verfügt. Bis dort hin leisten wir in der Schule Aufklärungs- und Bildungsarbeit über Themen wie beispielsweise die Händehygiene. Natürlich sind die Hygienemaßnahmen auch immer Teil unserer Health Camps. In weiterer Folge ist auch ein Gesundheitsbildungsprojekt von SONNE- International für die gamte Community in Planung.

Auf Grund des niedrigen Bildungsstandards und der kulturellen Unterschiede (z.B. andere Reihung von Prioritäten, sprachliche Barrieren, anderes Schamgefühl, …) gestaltet sich gerade die „Aufklärungsarbeit“ nicht immer einfach und benötigt einen langen Atem. Speziell wenn es um „Meinungsbildung“ geht und es gilt eine Veränderung der Denkensweise herbeizuführen stößt man oft zu Beginn auf Widerstand. Dies ist in unseren Kreisen doch auch so, oder? Dann muss man dranbleiben, oftmals das Selbe wiederholen, viel mit den Menschen sprechen, diskutieren- auch ihre Meinung einholen, um sich Stückweit in die „richtige“ Richtung zu bewegen.

Aktuell haben wir das WADI- Pilotprojekt gestartet, um hier vor Ort für sauberes Trinkwasser zu sorgen.

Ich durfte den Erfinder dieser „Methode“, des Gerätes vor meiner Abreise noch persönlich in Wien kennenlernen und war sofort begeistert. Erstens freut es mich immer sehr, wenn ich „lokale“ Firmen unterstützen kann, bzw. wenn sich Landsleute für „public health“ Themen engagieren und so eine einfach anwendbare, kostengünstige, sichere und nachhaltige Methode auf den Markt bringen.

Ich möchte kurz das Produkt, den WADI- Mechanismus und die Wirkungsweise erklären:

Wasserdesinfektion durch Sonneneinstrahlung. Dies wird durch das WADI- Gerät, ermöglicht. Das WADI ist ein portables, solarbetriebenes, UV- Messgerät, welches durch sichtbare Visualisierung mittels Smileys und „Fortschrittsbalken“ den Prozess der Desinfektion sichtbar macht und somit Unsicherheiten beim Benutzer eliminiert. Es misst die UV-A und UV-B Strahlung und zeigt den Zeitpunkt, wenn eine ausreichende Desinfektion von coliformen Bakterien und Keimen stattgefunden hat. Diese Methode ist für jedes Setting (Schulen, Haushalte, Gemeinden) und für jede Region welche über genügen Sonnenlicht verfügt anwendbar. Des Weiteren trägt die Verwendung des WADI zur Reduktion der CO2 Emission bei, da das Wasser nicht mehr unter Verwendung von Feuerholz oder Gas abgekocht werden muss. Die Herstellergarantie reicht über 2 Jahre. Prinzipiell ist das WADI lt. Hersteller 4 bis 5 Jahre verwendbar. WADI wurde durch die WHO getestet und erfüllt die gestellten Kriterien zur sicheren Trinkwasseraufbereitung. 1 WADI kostet zwischen 15 und 19 Euro.

Und wie verwendet man das WADI nun?

Das Vorgehen ist ganz simpel. Man füllt Wasser (dies muss so klar sein, dass man mindestens die Finger durch eine Plastikflasche erkennen kann, sonst muss man es vorfiltern) in eine Plastikflasche (ja ich weiß, Plastik ist wieder nicht recht umweltfreundlich, aber in Regionen, welche sowieso nicht wissen wohin mit dem Müll ist es besser die Flaschen für die Wasseraufbereitung wieder zu verwenden, als diese einfach vor die Türe zu werfen. [Man bedenke auch: In Indien ist seit letztem Jahr die Benutzung von Plastik (es gibt keine Plastiksackerl mehr vor Ort, kein Plastikgeschirr- ich stelle wie schon in einem anderen Blog die Frage: wer soll hier wen entwickeln? – und wer ist das „Entwicklungsland“???) weitestgehend verboten (außer Trinkflaschen (Touristen?!).] – mit einem Fassungsvermögen von maximal 3 Liter. Legt sie in die Sonne, drückt auf einen kleinen Knopf am WADI und wartet bis das lachende Gesicht erscheint. Dies dauert bei uns im Moment ca. 3-4 Stunden.

Wie sieht das ganze nun in der Praxis bei uns in der Schule aus?

Zu allererst galt es einen Haufen an Trinkwasserflaschen zu sammeln. Gott sei Dank hat mein „Hotelier“ die ganzen Flaschen der Touristen in einem Abstellraum gebunkert. Er war sofort von unserem Projekt begeistert und stellte diese gerne zur Verfügung. Mittels Tuk-Tuk transportierten wir um die 300 Flaschen zu den Schulen.

In weiterer Folge fand für alle Schüler und Lehrer eine Infoveranstaltung inklusive Präsentation statt. Es wurde erklärt, was „sauberes“ und „sicheres“ Trinkwasser überhaupt bedeutet. Wie Krankheit durch Wasser entsteht, wie Krankheit, Gesundheit, Hygiene und sauberes Wasser zusammenhängen. Was sind Keime und so weiter….

Nach abgeschlossener Präsentation haben wir gemeinsam die Wasserflaschen befüllt und den WADI Prozess gestartet.

Hier in Bodhgaya ist das Trinkwasser sehr klar. Dies macht es nicht einfacher, da es die Bevölkerung bestärkt, dass das Wasser „ja eh“ sauber sei und somit die Notwendigkeit der Wasserdesinfektion nicht gesehen wird. Zudem scheinen die Beschreibungen der Krankheitsbilder, Übertragungswege und die Vorstellungen von Bakterien, Viren und Keimen sehr abstrakt zu sein. An der regelmäßigen Erinnerung und Heranführung an die ganze“ sauberes Trinkwasser ist lebenswichtig“ Thematik arbeiten wir täglich.

Mittlerweile hat sich der Rhythmus der Wasseraufbereitung recht gut eingependelt. Jedes Kind hat seine persönlich markierte Wasserflasche. Nachdem der Desinfektionsvorgang das 1. Mal gestartet wurde, ließen wir die Flaschen über Nacht abkühlen, damit die Kinder am nächsten Tag sauberes, kühles Wasser zum Trinken zur Verfügung hatten. Die Schule endet derzeit immer gegen 12:00. Bis dort hin sind die Flaschen geleert und werden vor dem Verlassen des Schulgebäudes von den Schülern wieder befüllt, adäquat positioniert und der WADI- Prozess gestartet. Die Flaschen können über Nacht am Dach verbleiben und am nächsten Tag in der Früh steht wieder frisches Wasser bereit. Ein Lehrer wurde zum WADI-Beauftragten ernannt und beobachtet die Vorgänge vor Ort und dokumentiert diese in einem WADI- worksheet. (So kann man auch wieder Skills bezüglich Datengewinnung und Auswertung vermitteln und Selbstvertrauen stärken.)

Ist dieser Algorithmus verinnerlicht, wird eine 2. Trinkflasche zur Verfügung gestellt, um den Kindern beizubringen, dass man für das permanente Vorhandensein von Wasser vorausplanen und „bunkern“ muss. In weiterer Folge können die Schüler dann auch sauberes Wasser mit nach Hause nehmen und sukzessive werden die Familien und in einem weiteren Schritt die ganze Community eingebunden- um das weitere Vorhaben in wenigen Sätzen zu beschreiben.

Wenn ich mir diese Absätze so durchlese hört es sich so an, als ob die Einführung und Umsetzung solcher Projekte ein leichtes wäre. Ist es aber nicht. Jeder der im Freundeskreis, an seinem Arbeitsplatz, in der Gemeinde- oder wo auch immer – schon einmal Veränderungen hervorrufen wollte kennt den Aufwand und die Tücken dieser Vorhaben. Menschen zu überzeugen, zu motivieren erfordert ein hohes Maß an „effort“ und „commitment“. Aber umso schöner ist es – wenn sich Stück für Stück kleine Erfolge einstellen und man mehr mit dem Projektteam zusammenwächst. Natürlich kann es dazwischen immer wieder kleine Rückschläge geben und klarer Weise gilt es des Öfteren nachzubessern, oder die Strategie zu ändern, da man ja auch die kulturellen Strukturen miteinbeziehen muss. Aber wenn man dranbleibt, von seinem Vorhaben überzeugt ist und Geduld mitbringt- lässt sich vieles bewirken. – und wenn man eines hier hat, dann ist es Zeit, beziehungsweise Zeit etwas wachsen zu lassen.

Alles Liebe, Sophia