SONNE-Obmann Erfried Malle berichtet über seine Äthiopienreise / Juni 2017

Es ist sengend heiß. Das Thermometer zeigt 45 Grad an, es ist 11 Uhr am Vormittag und die Temperatur wird im Laufe der nächsten 3-4 Stunden weiter auf über 50 Grad Hitze steigen. Für einen Europäer ist diese Temperatur schon bedrohlich und gefährlich. Ich bin mit unserer lokalen Partnerorganisation APDA unterwegs, um mir ein Bild von der unglaublich harten Realität zu machen, denen die Afar-Nomaden derzeit ausgesetzt sind.

Wir befinden uns ca. 550 Kilometer nordöstlich von Addis Abeba, in einem riesigen Steinwüstengebiet an der Grenze zu Erithrea und Djibouti. Hier leben einige hundert tausend Menschen weit abseits der modernen Zivilisation. In dieser schwersten Dürre seit über 30 Jahren, die schon unzählige Opfer gefordert hat, sind sie es, die von der Regierung alleine und ohne Lebensmittelhilfe gelassen werden. Nur die lokale Partnerorganisation von SONNE-International ist noch vor Ort um zu helfen. Alle 3 Tage kommt ein Tankwagen und befüllt die aufgestellten 3000 Liter – Plastiktanks. Das Wasser darin hält nur für etwa 2-3 Tage, denn es leben insgesamt mehr als 250 Familien aus der näheren Umgebung davon. Geht das Wasser früher zur Neige, müssen die Frauen sich auf den Weg machen. Sie müssen derzeit, da es im Bezirk keine Wasserreserven mehr gibt, sich bis zu 24 Stunden auf den Weg machen, um in den Nachbarbezirken ihre Wasserkanister vollzufüllen.

Man darf gar nicht daran denken, was passieren würde, wenn dieser Tankwagen ein technisches Gebrechen hätte.

Die Regierung spricht derzeit offiziell von 48 % chronisch mangel- und unterernährten Kindern in der Afar-Region. Die Afar-Region zählt in Äthiopien zu der ärmsten Region des Landes. Der Entwicklungsprozess hat hier erst vor kurzem begonnen. Es gibt fast keine medizinische Versorgung, kein Sozial- und Gesundheitswesen. Die Menschen sind auf sich allein gestellt. Das Leben in der Afar-Region wird von Jahr zu Jahr schwerer, denn jedes Jahr bleiben immer mehr zu erwartende Regenfälle aus. Die Probleme der Bevölkerung akkumulieren sich. Die Hoffnung und auch der Körper der Menschen wird schwächer und schwächer -in jeder Siedlung hört man von Todesopfern, die der Dürre zuzuschreiben sind. Das Überleben der Neugeborenen hängt von der zur Verfügung stehenden Muttermilch ab. Wenn diese fehlt, dann haben die Babys fast keine Chance zu überleben.

Die Tragik daran ist, dass, wie immer diese Dürre in den kommenden Monaten auch ausgehen mag, sich dieser chronische Hunger der Kinder nicht nur auf das körperliche Wachstum, sondern ebenso auf die geistige und seelische Entwicklung auswirkt. Seit einem Jahr hat es in Geyga nicht mehr geregnet, zuvor hat es auch nur einen einzigen kurzen Regenschauer gegeben.

Das seit 2005 bestehende mobile, der nomadischen Lebensweise angepasste Alphabetisierungs- und Gesundheitsprogramm von SONNE-International ist durch diese humanitäre Krise auch stark gefährdet, da derzeit alle vereinten Kräfte herangezogen werden, um den Hunger und den Durst der Menschen vor Ort zu stillen. Im letzten Jahr sind 90% des Ziegenbestandes in den von der Dürre betroffenen Bezirken bereits verendet oder mussten verkauft werden, um Getreide einzukaufen. Als Nothilfsmaßnahme startet SONNE-International nun ein Ziegenwiederaufstockungsprogramm für die von der Dürre besonders schwer betroffenen Familien, bei dem Ziegen und auch Ziegenfutter übergeben werden.

Es ist eine Tragik, dass Mitte des 21. Jahrhunderts zig-tausende Kinder seit Monaten nur noch mit dem wenigen Wasser und Brot auskommen müssen und viele dieser Kinder trotzdem nicht ihr nächstes Lebensjahr erreichen werden. Diesen Kindern fehlt es an frischer Milch, die all die Nährstoffe zuführen könnte, welche die Kinder für eine gesunde Kindesentwicklung benötigen. Eine große gesunde Ziege kostet derzeit 25 Euro, mit einer Spende in Höhe von 100 Euro könnten wir einer Familie 3 Ziegen inklusive Ziegenfutter übergeben, so dass diese größte Dürre dieser Generation auch überstanden werden kann.